© Solothurner Zeitung / NMZ; 2001-05-26; Seite 20a - Leserseite

Leserbriefe PRO und CONTRA Kantonalkirche

Kantonalkirche - Kirche mit Zukunft? (R. Bichsel) (CONTRA)

Weniger Weiterbildung (B. Zutter Baumer) (CONTRA)

«Vom Saulus zum Paulus» (B. Probst) (PRO)

Steuererhöhung bei schlanker reformierter Kantonalkirche? (M. Bauder-Kuhn) (CONTRA)

Kirche mit Zukunft (S. Geeler und andere) (PRO)

Echte Chance (R. Lehmann) (PRO)

Für eine offene Kirche mit Perspektiven (Chr. Knoch) (CONTRA)

Kantonalkirche - Kirche mit Zukunft?

Der Wunsch, die Organisation der reformierten Kirche im Kanton Solothurn zu vereinfachen, ist einleuchtend. Wie uns die Erfahrung lehrt, bringt aber eine schlanke Struktur den Betroffenen nicht immer nur Vorteile. So schneidet auch die zukünftige Solothurner Kantonalkirche in einem Leistungsvergleich mit der «Bernischen Kirche» schlecht ab. Dieser Vergleich ist nicht sehr kompliziert: Man braucht nur den Leistungsauftrag der Solothurner Kirche neben einen Leistungsbeschrieb der «Berner Kirche» zu legen. Dazu ein Beispiel: Während in der Weiterbildung die «Berner Kirche» Kurse in grossem Mass mitfinanziert, ist das Wort «Weiterbildung» im Leistungsauftrag der Solothurner Kirche nicht einmal zu finden. Dies in einer Zeit, in der die Wichtigkeit von Weiterbildung allgemein anerkannt ist.

Ich befürchte, dass sich ein Leistungsabbau, der auch noch weitere Bereiche betrifft, negativ auf die Arbeit in den Kirchgemeinden auswirken wird. Die scheinbar nur organisatorische Frage einer Kantonalkirche würde bei einer Annahme der Abstimmung spürbar nachteilige Auswirkungen haben. Dies dürfen wir uns nicht leisten.

Reto Bichsel, Zuchwil

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Was spart die Kantonalkirche?

Die Befürworter der Kantonalkirche versichern immer wieder, die neue Kirchenorganisation werde schlanker sein und weniger kosten. In Tat und Wahrheit sieht dies anders aus: Unsere Reformierte Kirchgemeinde Solothurn bezahlt bis heute pro Jahr rund 175 000 Franken für das grosse Dienstleistungsangebot, das die Berner Kirche uns zur Verfügung stellt. Der Kantonalkirche müssten wir genau die gleiche Summe entrichten - nur für weniger Dienstleistungen. Wo liegt da die Einsparung? Deshalb empfehle ich den reformierten Stimmberechtigten, ein NEIN in die Urne zu legen.

Rudolf Pfister, Riedholz

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Weniger Weiterbildung

Als Mitglied der Personalkommission der Reformierten Kirchgemeinde Solothurn sind mir unsere Mitarbeitenden ein grosses Anliegen. Ich würde es sehr bedauern, wenn unsere höchst engagierten Mitarbeitenden nur noch alle zwei bis drei Jahre eine qualifizierte Weiterbildung besuchen könnten. Nach dem vorliegenden Budget für die neue Kantonalkirche ist dies nämlich der Fall. Ich lege deshalb ein Nein in die Urne.

Barbara Zutter Baumer, Solothurn

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«Vom Saulus zum Paulus»

Vor rund 20 Jahren bekämpfte ich als Gemeindepfarrer den ersten Anlauf zu einer reformierten Kantonalkirche heftig; dies in erster Linie aus finanziellen Überlegungen. Ausserdem störte mich damals das sehr zentralistische Konzept. Heute wehre ich mich nicht mehr dagegen, weil die jetzt vorgeschlagene Kirchenordnung viel demokratischer ist. Im Blick auf Minderkosten bei einer Annahme bin ich etwas weniger optimistisch als die «Gründerväter». Die schlankere Ordnung eliminiert zwar Mehrspurigkeiten, aber wie viele Stellenprozente die Verwaltung und Leitung einer Kantonalkirche z.B. im Jahre 2010 umfassen wird, kann heute niemand sagen. Neue Stellen könnten nur über Synodenbeschlüsse geschaffen werden. Dennoch muss bei einer Annahme kaum mit einer raschen Erhöhung der Kirchensteuern gerechnet werden. Trotz meinem ursprünglich bernischen Heimatort und 37 Jahren in bernischem Kirchendienst hat für mich seit 1984 das kirchen- und staatspolitische Argument ein viel grösseres Gewicht bekommen: Zwar wird im «unteren» und im «oberen» Teil Kirche- und Protestant-Sein in recht unterschiedlichen Stilen gelebt. Aber es dünkt mich an der Zeit, dass der Kanton auch auf evangelisch-reformierter Seite nur noch einen einzigen Gesprächspartner hat. Im Fall einer Ablehnung dieser Vorlage sah sogar der Berner Synodalrat schon vor vier Jahren die Gefahr, dass mit diesem Signal nicht nur die Protestanten, sondern auch die Einheit des Kantons «auseinander dividiert» werden könnten. Gerade im Zeitalter der Regionalisierungen und im Kanton der Regionen ist eine einzige Stimme unsrerseits wichtig. Laut Gemeindegesetz können sich auch die Spezialfälle Messen und Oberwil wie die anderen Kirchgemeinden ganz frei für das Verbleiben bei Bern oder Mitmachen entscheiden.

Benedict Probst, Langendorf

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Steuererhöhung bei schlanker reformierter Kantonalkirche?

Zu den ausgegebenen Parolen für eine schlanke Solothurner Kantonalkirche muss einiges reiflich überlegt werden. Es wird behauptet, dass mit den heutigen Steuererträgen eine eigene Kantonalkirche zu finanzieren sei, obschon eingestanden wird, dass die Mittel von Anfang an knapp bemessen seien. Die Berechnungen basieren aber auf Steuereingängen aller Kirchgemeinden des oberen Kantonsteils. Da sich aber heute schon Gemeinden für den Verbleib bei der Kirche Bern-Jura entschieden haben und weitere bestimmt folgen werden, ist die Aussage, dass es zu keinen Steuererhöhungen kommen werde, falsch. Zudem wurde von Anfang an darauf hingewiesen, dass es eine schlanke Kantonalkirche geben werde. Was heisst nun schlank? Wir sehen beim Kanton Solothurn, was schlanker Staat für die Steuerzahler bedeutet. Nach diesem Muster soll nun eine schlanke Kantonalkirche entstehen, die sehr wenig Dienstleistungen erbringen und keine eigenen Fachkräfte zur Verfügung stellen kann. Tagungen, Kurse etc. sind nicht mehr finanzierbar, das heisst, es reicht bei weitem nicht für dringend notwendige Zusatzleistungen, die bei der heutigen Regelung mit der Kirche Bern-Jura voll inbegriffen und bezahlt sind, und zwar ohne Steuererhöhung. Bei den budgetierten Aufwendungen für Spezialämter und Weiterbildung liegt die neu zu gründende Solothurner Kantonalkirche weit, zum Teil deutlich mehr als die Hälfte hinter den anderen Kantonalkirchen vergleichbarer Grösse zurück. Der für die Basisarbeit wichtige Bereich wird bei einer Annahme der Vorlage sehr schmerzliche Abstriche in Kauf nehmen müssen. Die Kirche Bern-Jura bietet für unseren oberen Kantonsteil die optimale Lösung. Man sollte nie etwas aufgeben, das gut funktioniert und das auch für die Zukunft gut funktionieren wird. Ich glaube kaum, dass die Reformierten des oberen Kantonsteils gewillt sein werden, mit mehr Steuern eine eigene Solothurner Kantonalkirche zu finanzieren. Wir alle wissen, was wir mit der Kantonalkirche Berner-Jura haben, was es uns kostet und wollen kein Experiment starten, das zum Vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Die neue Solothurner Kantonalkirche ist an der Urne abzulehnen, da Leistungsabbau und Steuererhöhungen sonst vorprogrammiert wären. «Mir blybe wo mir sy.»

Magdalena Bauder-Kuhn, Langendorf

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Kirche mit Zukunft

Was wäre die Kirche ohne die sie belebenden Frauen? Um ihre Anliegen und Kräfte effizienter einbringen zu können, haben sich die reformierten Frauen aus allen zerstreuten Bezirken unseres Kantons vor acht Jahren zusammengeschlossen.

Jetzt wünschen wir klare Strukturen, unkomplizierte Verhältnisse, um tatkräftig Partner zu sein am Bau einer toleranten, offenen reformierten Kirche mit Zukunft. Dazu brauchen wir aber eine einheitliche solothurnische Kantonalkirche.

Susi Geeler, Marianne Käbisch, Eveline Schärli, Theres Steinemann, Theres Utzinger, Ruth Vogler Vorstand reformierte Frauen des Kantons Solothurn

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Echte Chance

«Wir wolln uns gerne wagen, der Ruhe abzusagen dies Tun vergisst.» In den Pionierzeiten der reformierten Frauenvereine war dies vielerorts ein Leitmotiv. Es gelang auch, im weit zerstreuten Kanton Solothurn zusammenzuarbeiten. Frauen haben in den Kirchgemeinden das Leben geprägt, wertvolle Aufbauarbeit geleitet. Sie haben auch Visionen für spirituelle und soziale Gemeinschaft. Dazu hilft ihnen eine einheitliche Kirchenstruktur und Solidarität der autonomen Kirchgemeinden aller Regionen. Eine schlanke Kantonalkirche schafft neue Motivation und Möglichkeiten - eine echte Chance.

Rosmarie Lehmann, gew. Präsidentin Reformierte Frauen Kanton Solothurn, Küttigkofen

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Für eine offene Kirche mit Perspektiven

Walter Brülisauer schreibt in einem Leserbrief, dass die neue Kirche keine Perspektiven eröffnen wolle. Für mich ist die Aufgabe einer Kantonalkirche, dass sie über die eigene Kirchturmspitze hinausweist. Sie muss Impulse für das Gemeindeleben geben können. Sie muss jene Fragen aufnehmen, die in die Zukunft weisen.

Die neue Kantonalkirche kann das mangels Finanzen nicht, damit reduziert sie sich auf Verwaltung. Dazu braucht es keine Kantonalkirche.

Christoph Knoch, Langendorf

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