© Solothurner Zeitung / NMZ; 2001-05-16; Seite 9a (Region SO)

«Nicht über Glaubensfrage zu entscheiden»

Präsidenten reformierter Organe nehmen Stellung zur Abstimmung vom 10. Juni

Die Befürworter der Evangelisch-reformierten Kantonalkirche (Abstimmung am 10. Juni) nehmen einerseits mit Genugtuung vom Rückzug einer Beschwerde gegen die Ab-stimmungsbotschaft Kenntnis. Andererseits bedauern sie in einer Mitteilung den «Versuch des Berner Synodalrates, die Diskussion über die Schaffung der Kantonalkirche auf eine Ebene zu heben, die von den Fakten wegführt».

Die Beschwerde, unterzeichnet von Hannes Studer, Lohn-Ammannsegg, und Lorenz Baumer, Solothurn, war mit Datum vom 9. Mai an den Solothurner Regierungsrat eingereicht worden. Bereits einen Tag später konnte die Staatskanzlei mitteilen, die Beschwerde sei zurückgezogen worden. Die Beschwerdeführer hatten nach Angaben der Staatskanzlei geltend gemacht, in der Abstimmungsbotschaft werde der Eindruck erweckt, die Bezirkssynode Solothurn als Ganzes stehe der am 10. Juni zur Abstimmung gelangenden Vorlage positiv gegenüber und habe sich so geäussert.

Die Befürworter der Kantonalkirche stellen dazu in einer Medienmitteilung fest, dass der Text der Abstimmungsbotschaft vor der Drucklegung von einer regierungsrätlichen Arbeitsgruppe, der auch zwei Berner Vertreter, davon einer des Berner Synodalrates, angehören, begutachtet worden sei. «Dabei sind von keiner Seite Einwände erhoben worden.»

«Sehr wackelige Grundlage»

Die Staatskanzlei habe in einer Verlautbarung vom 10. Mai festgehalten, dass sie zum Schluss gekommen sei, die Folgerung der Beschwerdeführer «dränge sich so nicht auf, weder aus den angegebenen Textpassagen noch aus der gesamten Abstimmungsbotschaft».

Zumal die Beschwerde innerhalb eines Tages als erledigt betrachtet werden konnte, vertreten die Befürworter der Kantonalkirche die Auffassung, die Beschwerde habe «auf einer sehr wackeligen Grundlage» gestanden. Und nachdem auf Seiten der Gegner der «unhaltbare Vorwurf» erhoben worden sei, der Präsident der Bezirkssynode Solothurn, Max Misteli (Aetingen), betreibe eine Maulkorbpolitik, sei «der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, man möchte mangels stichhaltiger Argumente mit unsachlichen und falschen Behauptungen das Projekt Kantonalkirche bodigen».

Die Befürworter der Kantonalkirche und insbesondere die Präsidenten der drei Organisationen - Verband der evangelisch-reformierten Synoden des Kantons Solothurn, Samuel Feldges (Biberist), Kirche im Kanton, Synodalrats-präsident Pfarrer Erich Huber (Wangen bei Olten), und Vorbereitende Spezialkommission der Verfassungssynode, Hans Stricker (Bellach) - würden diese Haltung bedauern, heisst es weiter. Der Präsident der Bezirkssynode Solothurn habe sich auf Grund der bestehenden Vorschriften korrekt verhalten, und in der Botschaft seien sowohl die um den Präsidenten der Reformierten Kirchgemeinde Solothurn (Rudolf Pfister) formierten Gegner als auch der Synodalrat der Reformierten Kirche Bern-Jura mit je einer Stellungnahme zu Worte gekommen.

«Diskussion auf Ebene, wo sie nicht hingehört»

Im übrigen bedauern die drei Präsi-denten, dass der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura in einer vor wenigen Tagen verbreiteten Erklärung versucht habe, «die Diskussion über die Kirchenverfassung auf eine Ebene zu stellen, wo sie nicht hingehört». Bei der Abstimmung vom 10. Juni geht es «um ein Ja oder ein Nein zur Kirchenverfassung und damit um ein Ja oder ein Nein zur Kantonalkirche - es ist über eine Sach- und nicht über eine Glaubensfrage zu entscheiden». Grundsatzfragen und Grundanliegen der reformierten Kirche und des Glaubens seien «im Selbstverständnis des Solothurner Protestantismus in erster Linie Sache der Kirchgemeinden, die gemäss der neuen Kirchenverfassung ein hohes Mass an Autonomie geniessen werden».

Gegen eine Einmischung

«Das Demokratieverständnis ist im Kanton Solothurn äusserst fest verankert und auch bei den Befürwortern der Kantonalkirche intakt», wird in der Medienmitteilung abschliessend zu der vom Berner Synodalrat geäusserten Hoffnung festgestellt, dass «die demokratischen Regeln eingehalten werden». «Es wäre zudem Sache der Solothurner Behörden (und nicht des Berner Synodalrates) eine allfällige Missachtung demokratischer Regeln zu ahnden. Der Verbandsrat der evangelisch-reformierten Synoden ist sich seiner Verantwortung durchaus bewusst und wird seinen Auftrag ohne Hilfe Dritter erledigen.»

mgt

Erschienen in S Z am 16-Mai-2001

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