© Solothurner Zeitung / NMZ; 2001-06-11; Seite 21c - Region SO

Kein reformiertes Kantonaldach

Kirchgemeinden aus dem oberen Kantonsteil sind gegen die Loslösung von Bern

Der Kanton Solothurn erhält keine eigene reformierte Kantonalkirche. Mit einem klaren Votum haben sich sechs der acht Kirchgemeinden aus dem oberen Kantonsteil für einen Verbleib bei Bern entschieden.

Wolfgang Niklaus

Das Abstimmungsprozedere machts möglich: Zwar haben 16 von 22 reformierten Solothurner Kirchgemeinden eine Kantonalkirche befürwortet - mit 5344 Nein zu 4083 Ja setzten sich im oberen Kantonsteil die Gegner aber klar durch und verweigerten die Löslösung von Bern nach 1984 erneut.

Einzig Derendingen und Grenchen-Bettlach plädierten im oberen Kantons-teil für eine Kantonalkirche. «Exakt dieses Resultat habe ich meiner Frau prophezeit», meinte gestern ein zufriedener Peter Thomet, Präsident der Kirchgemeinde Messen. Für ihn war klar, dass er auf den «Buechibärger Reflex» würde zählen dürfen. Wie wahr: Lag die Stimmbeteiligung kantonal bei 29 Prozent, gingen in den vier Gemeinden aus dem Bucheggberg zwischen 43,2 Prozent (Oberwil) und 53,4 Prozent (Lüsslingen) der Stimmberechtigten an die Urne. Thomet wertet das klare Verdikt nicht als Absage an den unteren Kantonsteil. «Aber wir wollten uns halt nicht aus unseren bewährten Strukturen verdrängen lassen.» Wenn der untere Kantonsteil nun für sich auch eine Lösung über die Kantonsgrenze hinaus anstrebe und es zu einem Drei-Synoden-Modell komme, so sei dies verständlich. «Wir laden sie aber herzlich zu einer Bezirkssynode Solothurn - unter Berner Dach - ein.»

Feldges: «Bauch hat gesiegt»

«Jetzt bleiben wir also der einzige Kanton im Lande ohne Kantonalkirche.» Samuel Feldges, Verbandspräsident der evangelisch-reformierten Synoden des Kantons Solothurn, sagts nicht ohne grosses Bedauern. Es gelte aber, den Volkswillen zu respektieren. «Immerhin ist nun klar, dass die Kirche im Kanton Solothurn fortan ihre eigenen Wege gehen muss.» Weshalb ist das Unterfangen gescheitert? «Die Bauchgründe überwogen die Kopfgründe. Zudem waren wir Befürworter im Gebiet der Bezirkssynode offenbar zu wenig überzeugend» Feldges bedauert aber auch, dass Regierungsrat und Parteien sich im Vorfeld kaum engagiert hätten. «Immerhin betrifft diese Frage 40 Prozent der Bevölkerung - sie hätte eigentlich auch politische Gruppierungen interessieren müssen.» Am unteren Kantonsteil sei es nun, eine Auslegeordnung zu machen. «Er wird fallweise prüfen müssen, was er unter sich, was mit der Bezirkssynode und was mit den Aargauern beziehungsweise dem Schwarzbubenland anpacken will.» Der Verband, ist Feldges überzeugt, werde sich auf den Finanzausgleich reduzieren.

Erich Hubers Ärger

«Mit den massiven Resultaten aus den Bucheggberger Gemeinden war die Sache klar», ärgert sich Pfarrer Erich Huber, Synodalratspräsident der Kirche im Kanton Solothurn. Eigentlich sei er ein geschickter Taktiker - «aber als wir seinerzeit das Prozedere für diesen Urnengang festlegten, war mir nicht bewusst, auf was wir uns da einlassen.» Als Verlierer der Abstimmung fühlt er sich nicht - «sein» unterer Kantonsteil hat schliesslich ein klares Bekenntnis für ein gemeinsames Kirchendach abgelegt. Zum klaren Ausgang haben aus seiner Sicht zwei Gründe beigetragen: Die Angst vor einem finanziellen Abenteuer und die starken emotionalen Bindungen zu Bern, die offenbar stärker gewesen seien als die Solidarität zu «Rest-Solothurn». Und nun? An einer Klausur will der Synodalrat gemeinsam mit den Kirchgemeindepräsidenten das weitere Vorgehen festlegen. Vieles läuft gemäss Huber auf eine Entflechtung bei den Aufgaben und Finanzen der reformierten Kirche im Kanton hinaus. Und: «Wir werden prüfen, inwieweit die Kirchenverfassung von uns übernommen werden kann. Und ob sich nicht einzelne Gemeinden aus dem oberen Kantonsteil unserer Kirche anschliessen könnten.»

Ganz so leicht dürften die ausgetauschten Gehässigkeiten nicht vergessen gemacht werden. Ob er den Gottesdienst mit Befürwortern und Gegnern besuche, der am 22. Juni abgehalten wird? Huber: «Das beurteile ich heute eher zurückhaltend.»

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