© Solothurner Zeitung / NMZ; 2001-06-06; Seite 20a - Leserseite

Reformierte Kantonalkirche: «Heiliger Krieg»?

«Heiliger Krieg unter den Reformierten», «Neue Mittelland Zeitung» vom 31. Mai.

Ich bin einer der drei Finanzexperten, die beauftragt worden sind, die Finanzplanung der Kantonalkirche zu überprüfen. Ich habe diesen Auftrag angenommen, weil ich hoffte, damit etwas zur objektiven Diskussion beitragen zu können. Nun muss ich feststellen, dass unsere Arbeit von den Befürwortern missbraucht wird. Wir haben nie bestätigt, wie in dieser Zeitung behauptet, dass die bisherigen Leistungen finanzierbar seien. Die Initianten konnten uns nämlich gar nicht belegen, welche Leistungen heute erbracht werden. Wir haben geprüft, ob die in der zukünftigen Kantonalkirche vorgesehenen Aufgaben finanzierbar sind. Dass es sich dabei um ein Minimalangebot handelt, ist allgemein unbestritten. Meine Schlussfolgerung: Die Kantonalkirche ist in der vorgesehenen Form alleine nicht überlebensfähig. In der Abstimmung geht es eigentlich um die Frage: Bleiben wir bei Bern oder fusionieren/kooperieren wir mit Aargau oder Basel-Land?!

Heinz Schürch, Lohn-Ammannsegg

«Spaltpilze»

In den letzten Wochen werden die Kritiker der Kantonalkirche in Pressemitteilungen, Leserbriefen und Inseraten von den Befürwortern als «Spaltpilze», «Schwadronierer» oder als Leute die «im Trüben fischen» bezeichnet. Auf die begründeten Argumente und Vorbehalte wird hingegen kaum eingegangen. Dazu kommen gehässige Angriffe auf einzelne Personen. Mir scheint, es geht nicht mehr um die Sache, nämlich die Zukunft unserer Kirche, sondern nur noch darum, die andere Seite fertig zu machen. Wenn dies der Stil sein soll, mit dem in einer künftigen Kantonalkirche mit anderen Meinungen umgegangen wird, dann bleibt nur eines: Ein überzeugtes Nein in die Urne zu legen! Denn so eine Kirche brauchen wir wirklich nicht!

Johanna von Wartburg, Rüttenen

Mehr Solidarität

Zu Recht wird jetzt vor der Abstimmung immer wieder betont, dass es auch gelte, die Frage der Solidarität in die Überlegungen einzubeziehen. Und in der Tat: Die Solidarität unter den Reformierten darf nicht ausser Acht gelassen werden, ja es wäre geradezu rückwärtsgewandt, würde man sie ignorieren. Kommt noch hinzu, dass auch der Kanton als staatliche Institution dieser Solidarität bedarf. Solidarität heisst aber auch, in die Zukunft blicken. Solidarität ist immer mit der Zukunft verbunden, nicht mit der Vergangenheit. Es ist zu wünschen, dass sich die Reformierten des Kantons Solothurn am 10. Juni als Solidargemeinschaft bewähren werden.

Gottfried Wyss, Gerlafingen

Zu viele Organisationsfragen?

Immer wieder verkündet Samuel Feldges, dass die neue Kirche effizienter, einfacher und wirkungsvoller arbeiten werde, als die bisherige Ordnung. Überhaupt geht es in allen befürwortenden Argumenten nur noch um Organisationsfragen. Wenn dem offensichtlich so ist, dann verstehe ich erst recht nicht, weshalb die heutigen Strukturen nicht zuerst revidiert worden sind? Weshalb hat man die störenden Abläufe nicht korrigiert? Jede Firma überprüft periodisch ihre administrative Wirksamkeit, ohne gleich ein neues Verwaltungsgebäude zu bauen. Die Befürworter der Kantonalkirche wollen aber ein neues Haus. Dieses Haus wird dann mit etwa 80 freiwilligen MitarbeiterInnen bevölkert. Sie werden angeleitet durch sieben Kirchenräte, welche pro Jahr eine Entschädigung von Fr. 8000.- erhalten, und gemeinsam kantonalkirchliche Aufgaben erfüllen! Für diesen kleinen geplanten Aufwand erhalten einige wenige Funktionäre einen persönlichen Prestigegewinn. Die einzelnen Kirchgemeinden aber erhalten dafür viel weniger Leistung und Unterstützung, als wir es uns bisher von der Berner Kirche gewohnt sind und es auch genutzt haben. Wer glaubt, dass diese Rechnung stimmt, der stimmt JA und glaubt an Wunder. Wer NEIN stimmt, der weiss, dass in diesem Kirchenumfeld etwas nicht stimmt, sonst könnten nicht so viele Leute so viel Energie während fünf Jahren in ein unnötiges Organisationsmodell investieren. Ich stimme NEIN weil ich überzeugt bin, dass diese geplante Kantonalkirche den Glauben für die falsche Sache strapaziert.

Hannes Studer, Kirchgemeinderat Lohn-Ammannsegg

Zu viel Geld?

Im Streitgespräch zwischen Peter Thomet und Samuel Feldges ist zur geplanten Kantonalkirche doch Erstaunliches zu lesen - unter anderem die Aussage von Feldges, dass für das Projekt Kantonalkirche «ja zu viel Geld» vorhanden sei. Abgesehen davon, dass hier wohl Zweifel am Platz wären, scheint mir das hier dargebotene Kirchenverständnis doch zumindest bemerkenswert: Statt die vorhandenen Gelder angesichts von Sozialabbau und schmalen staatlichen Portfeuilles für das kirchliche Leben in den Gemeinden sinnvoll einzusetzen, sollen damit neue, unnötige Strukturen finanziert werden. Wenn die Verwaltung einer Kirche wichtiger sein soll, als ihre Mitglieder, kann das nur eines bedeuten: Nein zur Kantonalkirche!

Lorenz E. Baumer, Solothurn

Ausser Kontrolle

«Kostenwahrheit auf der Kirchenbank», «Neue Mittelland Zeitung» vom 2. Juni.

Es fällt auf, dass die öffentliche Diskussion um neue Kirchenstrukturen im Kt. Solothurn zusehends ausser Kontrolle gerät und der Reformierten Kirche nicht würdig ist. Persönliche Anwürfe gehören wohl zum politischen Alltag und man hat sie als Exponent in einem öffentlichen Amt zu verkraften. Zwischen «gemeiner» Politik und Kirchenpolitik müsste aber bezüglich Diskussionskultur noch ein Unterschied ausgemacht werden können. Es ist deshalb zu wünschen, dass Gegner und Befürworter diese Vorstellung von der Art kirchlicher Auseinandersetzung bedenken und sachliche Argumente statt Gehässigkeiten austauschen. Der Beitrag in dieser Zeitung führt zum Schluss, dass die angestrebte Solothurner Kantonalkirche bei gleichen Dienstleistungen wesentlich teurer zu stehen kommt. Solche sachlich unterlegten Argumente sind der bessere Beitrag zur Meinungsbildung für ein Pro oder ein Kontra und letztlich für ein christliches Einvernehmen unter einem alten oder neuen Kirchendach.

Kurt Ritter, Langendorf

«Eine neue Zukunft schauen»

In den vier, fünf letzten Jahren haben sich verschiedene Arbeitsgruppen um die Entstehung und Verwirklichung einer Kantonalkirche bemüht. Nicht nur «Profis», sondern auch viele Laien waren von den Kirchgemeinden aufgerufen, mitzuarbeiten. Wir haben diese Gelegenheit gepackt. All diese Arbeitsgruppen haben in unzähligen, intensiv geführten Sitzungen und Diskussionen Grundlagen erarbeitet und mitgeholfen, dass nun endlich eine neue Kirchenverfassung für eine Kantonalkirche von den reformierten Stimmberechtigten eingesetzt werden kann. Diese frische, zukunftsgerichtete und über längere Zeit gereifte Arbeit wollen jetzt plötzlich Gegner kurzfristig mit patriotisch angehauchten Parolen, Schlagwörtern und Angstmacherei auf verschiedenen Ebenen, zu bodigen versuchen.
Je länger wir diese völlig danebengegriffenen und einem falschen Verständnis entspringenden Gegenargumente hören und lesen, je klarer wird uns, dass es höchste Zeit geworden ist, die Weichen neu zu stellen. Wir wissen, wovon wir sprechen. Von Kindsbeinen an waren und sind wir stets aktiv tätig und eingebunden in der kirchlichen Jugendarbeit. Dazu gehör(t)en in diesen bald 40 Jahren Mitarbeit auch immer wieder das Organisieren und Durchführen von Wochenenden und vor allem wöchigen Sommerlagern. Wir würden es begrüssen, wenn nur schon für die Administration zu all diesen Aktivitäten an eine einzige Stelle gelangt werden und dort entschieden werden könnte. Statt dass, wie bis heute, alles unverbindlich von drei und mehr Stellen hin und her geschoben wird.
Mit Rücksicht auf betroffene bucheggbergische Grenzgemeinden (im Schwarzbubenland existiert diese Situation schon lange) und mit viel einfacheren und direkteren Angeboten und Strukturen ist es eben auch möglich, mit kleinerem finanziellem Aufwand zu arbeiten.
Schon diese Tatsache allein gilt es mit einem überzeugten «Ja» zu würdigen, zu unterstützen und vertrauensvoll umzusetzen helfen. Dies möchten wir den «noch»-Gegnern und den Zweiflern ans Herz legen und ihnen Mut machen, mit Gottvertrauen und einer aktiven Glaubenseinstellung die Fähigkeit zu erlangen, sich bei Bedarf auch heute noch immer wieder zu reformieren.

Dora Schlup-Riesen, Katechetin/Jugendgruppenleiterin und Antonio Schlup, Mitarbeit Kirchendach Arbeitsgruppe Theologie, Lüterkofen

< zurück zur Übersicht >