Dokumentation - 3

Rede von Frau Landammann Ruth Gisi, Solothum an der Wintersynode der Reformierten Kirchen Bern-Jura 2000

Sehr geehrter Herr Präsident,
Sehr geehrter Herr Synodalratspräsident,
Sehr geehrte Damen und Herren

Nicht überall wird man mit einem Blumenstrauss empfangen. Es ist eine wunderschöne Geste gegenüber dem Kanton Solothurn und auch gegenüber mir. In der Geschichte war es zwischen den beiden Kantonen nicht immer so; aber wenn das jetzt so ist, im Jahre 2000, ist das selbstverständlich sehr schön. Ich freue mich ausserordentlich, heute als Frau Landammann des Kantons Solothurn hier bei Ihnen zu sein und danke Ihnen herzlich für die Einladung zur Teilnahme an dieser Wintersynode. Es ist ein besonderer Tag. Nikolaustag und Tag der Bundesratswahl. Ich möchte es nicht unterlassen, dem Stand Bern herzlich zu gratulieren zur Wahl von Samuel Schmid. Und selbstverständlich gratuliere ich uns allen zum neuen Bundesrat. Ich habe ihn eben im Radio in allen vier Landessprachen sprechen gehört. Ein schönes starkes Zeichen der Verständigung zwischen allen Landesteilen.

Für die Reformierten Kirchen Bern-Jura und für die beiden Kantone Bern und Solothurn ist mein Besuch wohl fast historisch zu nennen. Es ist nämlich das erste Mal, dass ein Mitglied der Solothurner Regierung Ihrer Synode einen Besuch abstattet. Die kirchlichen Verhältnisse in den beiden Kantonen sind recht unterschiedlich. Der Kanton Solothurn hat eine sogenannte hinkende Trennung von Kirche und Staat, während im Kanton Bern die Bindungen enger gehalten sind. Dass es überhaupt zur heutigen Begegnung kommt, geht auf die Mitte des 16. Jahrhunderts zurück. Als anlässlich der Reformation unter bernischem Schutz die Grafschaft Buchegg den neuen Glauben annahm, führte dies zu einer ersten bilateralen Übereinkunft zwischen den Ständen Bern und Solothurn. In der Folge überliess die Solothurnische Regierung das religiöse und schulische Leben im Bucheggberg der Regierung Berns. Nicht ganz um Gottes Lohn, wie Sie sicher und richtig vermuten. Bern verzichtete im Gegenzug auf verschiedene Pfarrpfründen im übrigen solothurnischen Gebiet. In rascher Folge wurden noch im 16. Jahrhundert die Übereinkünfte jeweils der aktuellen Situation angepasst, bis klar war, dass die Kirchenspaltung bestehen bleibt. Für die nächsten rund 300 Jahre war die religiöse Sache vorerst geregelt. Erst 1875 wurde eine neue Übereinkunft geschlossen, und die reformierten Kirchgemeinden der Bezirke Solothurn, Lebern und Wasseramt sind, ergänzend zu den bucheggbergischen Kirchgemeinden, der Berner Kirche angegliedert worden.

Heute gelten noch die Übereinkunft über die Verhältnisse der ehemaligen Kollaturpfarrei Oberwil vom 13. Februar 1851 und die Übereinkunft über die kirchlichen Verhältnisse in den evangelisch-reformierten Kirchgemeinden des Bucheggberges und der Bezirke Solothurn, Lebern und Kriegstetten letzterer heute Wasseramt genannt - vom 23. Dezember 1958 sowie die dazugehörigen Änderungen und Ergänzungen vom 24. September 1979. Erst mit dem letztgenannten Dokument erfolgte die Loslösung der bucheggbergischen Kirchgemeinden von finanziellen Leistungen des Kantons Bern.

Die nach der Helvetik einsetzende Industrialisierung im Kanton Solothurn, und zwar schwergewichtig in Solothurn, Grenchen, Biberist, Derendingen, Gerlafingen und Riedholz bewirkte, dass heute im Bereich der Bezirkssynode Solothurn die Einwohnerinnen und Einwohner mehrheitlich reformiert sind. Trotzdem kommen nur 12 Ihrer 200 Synodalen aus dem Gebiet der Bezirkssynode Solothurn. Auch das macht klar, warum Sie bis heute auf den Besuch eines solothurnischen Regierungsmitgliedes warten mussten.

Sicher verfolgen Sie mit Interesse die Entwicklung rund um das solothurnische Kirchendach. In unserer Kantonsverfassung ist festgehalten, dass sich die öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften in Kirchgemeinden organisieren. Die Kirchgemeinden können sich zu Synoden zusammenschliessen. Die Kirchgemeinden unterstehen der Aufsicht, die Synoden der Oberaufsicht des Kantons. Die innerkirchliche Selbstbestimmung ist gewährleistet und das ist für die Regierung des Kantons Solothurn in der Frage des Kirchendachs entscheidend. Die Errichtung einer Kantonalkirche, einer kantonalen Synode ist eine innerkirchliche Angelegenheit. Die staatlichen Instanzen sind in dieser vorbereitenden Phase lediglich deshalb involviert, weil die oben erwähnten Staatsverträge bestehen. Es gibt innerkirchliche Gründe, die für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen. Es gibt aber auch innerkirchliche Gründe dafür, die teilweise mehr als 400jährige bzw. 100jährige Bindung an die Berner Kirche aufzulösen. Der Kanton Solothurn mit seinen sehr starken Verästelungen ist ein ausgesprochener Kanton der Regionen. Das Wort geht um: Viel Haag und wenig Garten, wenig Speck, viel Schwarten. Für die Regierung bedeutet es eine grosse Herausforderung, den Regionenkanton zusammenzuhalten. Verfassung und Gesetze gelten aber für den ganzen Kanton. Im Sinne vermehrter Integration ist es verständlich, wenn sich die* Reformierten des Kantons Solothurn zu einer einzigen Organisation zusammenschliessen möchten, um gemeinsam und gesamtkantonal Regelungen zu treffen. Ich erwähne diese Umstände, weil sie Ihnen, den 188 Synodalen aus den Kantonen Bern und Jura verständlicherweise weniger bewusst sein dürften.

Weil das beabsichtigte Kirchendach eine innerkirchliche Angelegenheit ist, bleibt es den Konfessionsangehörigen überlassen, dem solothurnischen Kirchendach zuzustimmen oder es abzulehnen. Die staatlichen Behörden, vorab der Regierungsrat, sind aber Garanten dafür, dass die Abstimmung korrekt durchgeführt wird und dass in einer. künftigen Kantonalkirche die demokratischen Grundsätze beachtet werden.

Zurück zu Ihnen: Mit Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, bin ich immer ein wenig verbunden, über die Verhandlungsprotokolle Ihrer Sessionen nämlich, die mich regelmässig erreichen. Und ich entnehme diesen, wie engagiert Sie in vielfältigen Bereichen tätig sind und wie intensiv Sie die Aufgabe wahrnehmen, als Reformierte nicht nur mit Worten sondern vor allem mit Taten in der Gesellschaft zu leben und zu wirken.

Wissenschafter gehen davon aus, dass nach dem Jahrhundert der Klassen und Ideologien, das 21. Jahrhundert von den Rassen und Religionen geprägt sein werde. Ihr Synodalratspräsident hat kürzlich, im Zwinglihaus in Grenchen, eine schöne reformierte Vision eines solchen religiösen Jahrhunderts skizziert. Diese Vision müsste eigentlich eine universale werden, wenn Frieden und Verständigung zwischen den Menschen Wirklichkeit werden sollen. Samuel Lutz bezeichnete die reformierte Theologie nicht als eine neue Partitur des Christentums, sondern als eigene Interpretationsweise der immer gleichen, altbekannten Musik. Und diese immer gleiche, alte Musik, lieber Samuel Lutz, ist offenbar die, die alle Menschen hören, verstehen und spielen mit unterschiedlichem Erfolg. Deshalb möchte ich mit dieser Musik meine Ansprache an Sie beenden: Sie beinhaltet - um immer noch mit den Worten Ihres Synodalpräsidenten zu sprechen - folgende Melodie: "Universale Offenheit in der Weltbetrachtung. Sorgfältig-demütige Fairness im theologischen Denken. Soziale Verantwortung und Toleranz als Gebot der Humanität. Und vor allem Perseverance, Mut und Gottvertrauen."

Eine schöne Musik mit einer klangvollen Melodie. Möge sie uns begleiten über alle Grenzen, Zugehörigkeiten, über alle Struktur- und Organisationsdiskussionen hinweg.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Möglichkeit, vor Ihrer Synode reden zu dürfen. Ich wünsche Ihnen eine erfolgreiche Wintersynode einen schönen, besinnlichen Abschluss dieses Jahres und im nächsten Jahr alles Gute.

(Protokoll der Kirchensynode der Reformierten Kirche des Kantons Bern und der Verbandssynode Bern-Jura vom 5. und 6. Dezember 2000, Anhang 1, Seite 107-109).

* * * * *

< zurück zur Übersicht >